Katastrophen, Macht und Wissen
Donnerstag, 9. Juni
09:15 bis 10:45 Uhr
Raum 3032
Seit Jahrhunderten prägen Katastrophen weltweit Natur und Gesellschaft. Erdbeben, Epidemien, Kriege, technische Unfälle und humanitäre Krisen fordern unzählige Opfer und bewegen Politik, Wirtschaft und Kultur. In ihren Ursachen, Verläufen und Auswirkungen sind sie eng mit lokalen und globalen Machtverhältnissen verknüpft. Allein die Frage, welche Ereignisse und Prozesse für bestimmte Individuen oder Gruppen zu einer Katastrophe werden, ist wesentlich von ihrer Positionierung innerhalb von Machtgefügen abhängig, die sich zwischen Kategorien wie Klasse, Geschlecht, Nationalität oder Ethnizität aufspannen. Der Umgang mit Katastrophen wiederum hängt maßgeblich von Machtkonstellationen ab, die sich etwa auf der Ebene der Entscheidungsfindung in und zwischen verschiedenen Institutionen und Organisationen herausbilden. Schließlich figurieren Katastrophenerklärungen und -szenarien nicht erst seit dem 20. Jahrhundert als effektive Instrumente und Regulative des staatlichen Machtapparats, die beispielsweise im Rahmen einer Politik permanenter Ausnahmezustände dem Ziel dienen, gesellschaftliche Ordnungen zu fundieren und zu reproduzieren. Die sich wandelnde Bedeutung der Katastrophe und des Katastrophischen ist dabei stark an sich transformierende mediale Gegebenheiten, insbesondere auch an Umbrüche im Bereich der Massenmedien gekoppelt.
Das geplante Panel geht von einer untrennbaren Verschränkung von Macht und Wissen aus. Es untersucht daher, inwiefern in verschiedenen historischen Kontexten die mit Katastrophen verbundenen Formen der Macht an die Produktion, Zirkulation und Verwendung spezifischer Wissensbestände gekoppelt waren. Es adressiert unter anderem folgende Fragen: Inwiefern wurde bei realen und antizipierten Katastrophen auf die Ressource ‚Wissen’ zugegriffen? Welche Entscheidungsträger, Institutionen/Organisationen, Medien und Experten traten dabei in Erscheinung? In welchen Narrationen, Technologien, Materialitäten und Praktiken der Katastrophenverhinderung, -abmilderung und -bewältigung schlug sich Katastrophen-Wissen nieder? Inwiefern wurde Wissen während und nach Katastrophen zur Stabilisierung von Machtrelationen in Anschlag gebracht? Welche Rolle spielte Katastrophen-Wissen beim Widerstand gegen verschiedene Machtformen?
Untersuchungsgegenstand sind verschiedene Formen von Wissen – z.B. wissenschaftliches aber auch populärkulturelles Wissen – und seine Verbreitung über unterschiedliche (mediale) Kanäle.
Ein zeitlicher Schwerpunkt des Panels bildet das 19. und 20. Jahrhundert mit dem ‚Verwissenschaftlichungsschub’ im Katastrophenbereich, der sich entlang von Entwicklungslinien wie der Hochindustrialisierung, Kolonialisierung und Dekolonialisierung, den beiden Weltkriege und dem bipolaren Systemkonflikt ergaben. Das Panel ist aber auch offen für ReferentInnen anderer Zeitbereiche.